„Paid Content muss man können“ schreibt Thomas Knüwer auf Indiskretion Ehrensache und zählt eine Vielzahl von miserabelen suboptimalen Angeboten deutscher Verlage auf. Ich bin gerade dabei, mein Büro aufzuräumen und mir fällt das Buch „Führungsaufgaben in Redaktionen“ aus dem Jahr 1996 in die Hände. Hier finden sich im Beitrag „Es fehlen überzeugende Gesamtkonzepte“ von Bernd-Jürgen Martini folgende Zitate:
„Die Marktanteile der Zeitungen am Werbe-Spending gehen zurück, nicht die Beträge.“
„Was den Zeitungen gegenwärtig fehlt, ist ein Gesamtkonzept für die Medienaktivitäten im lokalen Raum. Im Moment haben die Zeitungshäuser noch die besseren Chancen, weil sie über das Programm, die Nachrichten, die passenden Strukturen verfügen. Sie haben Wettbewerber, die ihrerseits über die Technik verfügen, nicht aber über Programme. Wenn die Zeitungen diesen Startvorteil nicht nutzen, laufen sie Gefahr, dass branchenfremde Anbieter sich die Programmkompetenz aufbauen.“
Heute wissen wir, dass die Verlagshäuser ihren Startvorteil nicht zu nutzen wussten. Content ist nach wie vor King, aber die Königsmacher sitzen zunehmend nicht mehr in den Redaktionen der Verlage, sondern in Wohnzimmern und Bürogemeinschaften. Sie schreiben Blogs und pflegen ihre eigenen Netzwerke.
„Die Tageszeitung ist allenfalls in der Summe parallel bedienter Zielgruppen ein generelles Medium …“
Ein unscheinbarer Satz – mit ungeheurer Sprengkraft. Martini erkennt bereits vor 17 Jahren, dass die Bindungskraft der Zeitungen als Leitmedium eine Fiktion ist. Die lokale Nähe ist schon damals nicht mehr das einzige verbindende Kriterium. Weitere, interessengeleitete Kriterien treten hinzu. Heute sind wir ganz selbstverständlich Mitglied in unterschiedlichen Gemeinschaften (Communities): von regional bis global, je nach Interessensgebiet. Die lokale Nähe hätte ein Startvorteil beim Aufbau dieser Communities sein können – tatsächlich war das Kleinklein und die Segmentierung eines der größten Hindernisse bei der Etablierung stabiler Netzwerke.
Das Resumé fällt dann schon fast prophetisch aus:
„Die Historie lehrt, dass Zeitungsverleger nicht dann schon reagieren, wenn sie eine Einsicht haben – sondern erst dann, wenn sie aus ökonomischen Gründen wirklich handeln müssen. Wer allerdings Züge besteigen will, die bereits den Bahnhof verlassen haben, geht das Risiko ein, den Anschluss zu verpassen.“