Zwei Städte treten im großen Vergleich gegeneinander an. Köln und Wien verfügen beide über einen imposanten Dom und liegen an einem großen europäischen Fluss. Grund genug für einen fairen Wettbewerb.
Dom versus Dom
Stephansdom gegen Kölner Dom: Ein epischer Vergleich, doch welche Kriterien sollen über Sieg oder Niederlage entscheiden? Die Höhe? Das Alter? Oder die Bauzeit — und wie soll diese gemessen werden? In diesem Vergleich kommt es zu einem Doppeltest. Starten wir mit dem Alter. Über die Anfänge beider Bauten lässt sich streiten: In Köln gab es mit dem Hildebold-Dom einen Vorgängerbau, der aber dem „neuen Dom“ weichen musste. In Wien hingegen wurde der Dom erweitert und umgebaut.
Entscheidend ist jedoch nicht der Baubeginn, sondern die Fertigstellung in der heute bekannten Form. Der Kölner Dom wurde, nach über 600 Jahren oft unterbrochener Bauzeit, im Jahr 1880 in der uns heute bekannten Form fertig gestellt. Auch wenn wir erst die 1864 abgeschlossenen Arbeiten des Dombaumeisters Friederich von Schmidt am Südturm des Stephansdom Abschluss betrachten, geht dieser erste Punkt an Wien.
Mit einer Turmhöhe von über 157 Metern verweist der Kölner Dom seinen Kontrahenten mit 136,4 Metern auf die Plätze. Der Domvergleich endet mit einem klaren Unentschieden – 1:1.
Prater versus Phantasialand
Beginnen wir mit dem Wiener Prater, der, entgegen der in Deutschland üblichen Verengung auf den „Wurstelprater“, einen größeren Park bezeichnet. Dieses Areal befindet sich auf einer Insel zwischen Donau und Donaukanal. Ursprünglich als kaiserliche Jagd genutzt, entwickelte sich der Prater zu einem Naherholungsgebiet.
Das Vergnügungsviertel des Praters versprüht einen geradzu altmodischen Charme. Das beginnt bereits im Eingangsbereich mit einem Torbogen und der Aufschrift „Prater – Hereinspaziert“. Das gleich dahinter gelegene Riesenrad ist mit vergleichsweise bescheidenen 65 Metern Höhe (zum Vergleich: Das London Eye ist reckt sich 135 Meter hoch) und seinen Holzkabinen das richtige Mittel zur Entschleunigung.
So geht es immer weiter. Die Attraktionen sind herrlich unspektakulär. Natürlich gibt es eine Geisterbahn, Schießbuden und sogar eine Go Kart-Bahn. Eintritt fürs Gelände gibt es nicht, jede Attraktion muss einzeln bezahlt werden.
Das Phantasialand ist um vieles größer und bietet die weitaus moderneren Attraktionen. Mit Eintrittspreisen ab etwa 35 Euro (für Kinder) ist die Nutzung der meisten Fahrgeschäfte abgedeckt – wer jedoch glaubt, er könne seine Ausgaben bei einem Besuch auf den Eintrittspreis beschränken, wird eine schwere Zeit haben.
Der Park gliedert sich im Wesentlichen in sechs Themenbereiche: Fantasy, Mystery, Berlin, Deep in Africa, Mexico und China Town. Diese sind liebevoll und detailreich ausgearbeitet.
So geht auch das zweite Duell im Städtevergleich unentschieden aus. 2:2.
Die schreibende Zunft
Mit diesem ausgeglichenen Ergebnis geht der Vergleich Köln – Wien in die dritte Disziplin: Literatur, besser, die Autoren, die mit der jeweiligen Stadt assoziiert werden. Das Schmidtsche Diktum, es komme nicht darauf an, wo jemand geboren wurde, sondern wo er sich später niedergelassen habe, wollen wir hier abwandeln. In meinem Vergleich der Städte Hamburg und München habe ich ungerechtfertigterweise Thomas Mann nicht zu Gunsten der Isarmetropole gezählt, da er sie verlassen musste. Hier nun möchte ich den Begriff Wiener oder Kölner Schriftsteller etwas weiter fassen.
Und für Wien ins Feld führen: Karls Kraus, Robert Musil, Stefan Zweig, Elfriede Jelinek. Bei Franz Kafka, Franz Werfel und besonders Thomas Bernhard bin ich mir unsicher; vor allem letzterer hätte wahrscheinlich heftig protestiert, wenn er als „Wiener Autor“ geführt würde.
Auf der anderen Seite Köln: Heinrich Böll. Dieter Wellershoff. Bestimmt tue ich jemanden schreckliches Unrecht, aber mehr fällt mir nicht ein. Der Punkt geht an Wien. 2:3 für die Donaumetropole.
Endlich – die Zeit des Gleichstands ist vorbei
Und damit ist das Stichwort gefallen. Beide Städte werden bestimmt von dem Fluss, an dem sie liegen. Rhein und Donau, die noch mehr als die Elbe so etwas wie Deutungsflüsse des deutschen Sprachraums sind. In der Länge ist der Rhein mit seinen rund zwölfhundert Kilometern der Donau mit der mehr als doppelten Länge (2.857 km) hoffnungslos unterlegen. Doch wie sieht es mit der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung aus? Der Rhein spielte in beiden Weltkriegen eine wichtige Rolle, die Wiege der EU stand mit der Montanunion an seinem Ufer (und natürlich der Ruhr).
Die Donau berührt zehn Länder und ist damit ein wahrhaft europäischer Fluss. Ihre wirtschaftliche Bedeutung bezieht sie nicht in erster Linie aus der Industrie, die sie anzieht, sondern an der Verbindung, die sie schafft. Kulturell ist sie für die osteuropäischen Länder traditionell bedeutender als für Mittel- und Westeuropäer; in der Literatur lässt sie sich bis Ovid zurückverfolgen.
Für ihre insgesamt noch größere, völkerverbindende Wirkung, erhält die Donau den Punkt – und Wien geht mit 2:4 in Führung!
Feiern wie die Jecken
Heraklit von Ephesos wird der Ausspruch zugeschrieben, es sei unmöglich, zweimal in denselben Fluß zu steigen. Und wie sich Rhein und Donau ständig wandeln, kann auch nicht zweimal derselbe Karneval gefeiert werden. Beziehungsweise derselbe Opernball. In der vorletzten Runde dieses Vergleichs geht es nämlich um die großen Stadtfeste. Der Kölner Karneval ist weit über die Domstadt hinaus bekannt. Und Wien? Das Donauinselfest kommt mir in den Sinn – das ich persönlich jeden Karnevalstreiben vorziehen würde, aber für diesen Vergleich bin ich zu strenger Objektivität verpflichtet.
Und so geht dieser Punkt ins Rheinland, Köln verkürzt auf 3:4.
Lecker, lecker
Den Abschluss – und die Entscheidung – muss ein Test stadt-typischer Gerichte erbringen. Beginnen möchte ich mit Wien. Das Wiener Schnitzel ist weltberühmt und, richtig zubereitet, immer wieder lecker. Doch auch Tafelspitz und Sachertorte sind zurecht weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Schon eher für Eingeweihte gibt es dann noch die „Wiener Wäschmäderl“ (ausgebackene, mit Marzipan gefüllte Marillen) oder „Beuschel“ (Kalbslunge & -herz). Weitere regionale Köstlichkeiten führt Vienna.at auf.
Der Blick auf koeln.de desillusioniert schnell, was die Chancen auf einen Punktgewinn angeht. Die Liste der stadttypischen Speisen wird angeführt vom „Halve Hahn“, einem Roggenbrötchen mit Gouda, Zwiebeln, Butter und Senf. „Himmel und Ääd“ lasse ich immerhin als Gericht gelten, auch den Rheinischen Sauerbraten. Doch, Hand auf Herz: Für ein Unentschieden reicht das noch lange nicht.
Und so steht der Sieger fest. Wien schlägt Köln 5:3. Zurück ins Funkhaus.