Das ist mal eine ganz andere „Filmmusik“. Statt einfach nur Songs aus der Serie auf Platte oder CD zu packen, haben Sam Cohen und Danger Mouse eine Reihe von Hochkarätern wie Beck, Norah Jones oder Grandaddy eingeladen, Songs für einen fiktiven Radiosender einzuspielen.
Fiktiver Radiosender? Die Fernsehserie „The Man in the High Castle“ bildet den Hintergrund. Die Serie basiert auf einer Kurzgeschichte von Philip. K. Dick. und ist in einer alternativen Realität Anfang der 60er Jahre angesiedelt. Die Nazis und das japanische Kaiserreich haben den 2. Weltkrieg für sich entschieden, Nordamerika ist in drei Zonen aufgeteilt: Der Osten bis weit in den mittleren Westen wird vom Deutschen Reich beherrscht, die Westküste bis zu den Rocky Mountains von den Japanern und dazwischen befindet sich die neutrale Zone.
Resistance Radio, so heißt das Album, versammelt Songs, die ein Widerstandssender in dieser fiktiven Welt spielen könnte. Es sind Neuinterpretationen von Songs aus der Zeit; sie mussten vor dem Handlungszeitraum der Fernsehserie entstanden sein. Auch soundtechnisch sollten sie sich einfügen — nicht nur in die Zeit, sondern vor allem auch in die fiktive Weltlage.
Wie klingt Widerstand?
Wie klingt dann The End of the World, hier gefühlvoll gesungen von Sharon Van Etten? Ein fantastischer Aufmacher – in seiner lakonischen Melancholie vergleichbar mit einer Lili Marleen in der Version von Marlene Dietrich (und wie hier wunderbar kontrastierend zu den eher romantisierenden Versionen von Skeeter Davis/End of bzw. Lale Anderson/Lili.)
Das Gefühl der Melancholie bleibt. Eine Sehnsucht, die individuelle Gefühle transzendiert und eine neue Bedeutungsebene andeutet, tritt hinzu. Altmeister Beck singt Can’t Help Falling in Love, und wir verzeihen die Streicher, die zum Glück zurückhaltend agieren, weil so deutlich spürbar wird, welche Bedrohungen eine Liebe in Zeiten der Unterdrückung aushalten muss. In eine ähnliche Kerbe schlägt Sam Cohen mit House of the Rising Sun. Als Co-Produzent hat er noch eine zweite Interpretation untergebracht: Get Happy beschließt das Album. Wer die Versionen von Judy Garland und Frank Sinatra im Ohr hat, entdeckt eine neue, subversive Kraft in Cohens Fassung.
Gleiches gilt für die meisten anderen Stücke, ob Norah Jones‘ Unchained Melody oder Gandaddy mit Love Hurts. Es sind keine Versionen, die an Stelle der Originale treten wollen. Sie geben den Stücken aber eine andere Tiefe; man könnte auch sagen, die Künstler haben sich mit dem Widerstand solidarisiert und sich in den Dienst der Sache gestellt.
Ein umso größeres Lob allen Beteiligten, die daraus keine platten Analogien zur heutigen politischen Situation in Amerika ableiten. Die Deutung als Anti-Trump-Album greift auch schlicht zur kurz. Resistance Radio kann sowohl inhaltlich als auch musikalisch die Ära Trump überstehen.