Wir retten die Welt!

Cover Magazin "enorm" aus dem Jahr 2010

Am Mittwoch habe ich einen kleinen Streifzug durch den Pressehandel am Frankfurter Hauptbahnhof unternommen. Eine neue Mode scheint unter vielen Magazinmachern ausgebrochen zu sein:  Sie wollen die Welt retten.

Dazu bedarf es scheinbar in erster Linie einer Veränderung unserer Art des Wirtschaftens. Keine Revolution, kein neues System. Um in CP-Sprache zu bleiben: ein Relaunch muss her. Und so ein Wirtschaftssystemrelaunch braucht natürlich ein Sprachrohr, also ein neues Magazin. „enorm“ heißt das, klein geschrieben, und verspricht in der Unterzeile die „Wirtschaft für den Menschen.“ Die erste Ausgabe beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Social Business. Social Business heißt, dass sich die Wirtschaft in den Dienst der Menschen stellt.

Das erinnert mich an eine Einführungsvorlesung in die Betriebswirtschaftslehre von Prof. Dr. Louis Perridon, die ich miterleben durfte. Er begann mit einer Frage. „Wozu ist Wirtschaft da?“ Keine Antwort aus dem Auditorium, das sich, es waren die späten 80er Jahre, eher als Publikum begriff. Leichte Variation, „warum wirtschaften wir?“ Schweigen, die Golf Cabrio-Fraktion beginnt sich zu fragen, ob das prüfungsrelevant ist. Dann doch die ersten Antworten. „Um Geld zu verdienen.“ Perridon schaut auf seine Finger, Schweigen. „Zur Gewinnmaximierung.“ Perridon schaut an die Decke des Hörsaals, Schweigen. So geht das eine Viertelstunde. Endlich erlöst er die Erstsemester: „Zur Bedürfnisbefriedigung! Um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, darum betreiben wir Wirtschaft.“

Zurück zu „enorm“ und Social Business. Ein großes Thema, aber der Titel verspricht noch mehr. Nämlich die „Krötenwanderung“. Achtung doppeldeutig! „Die Krötenwanderung – Ethische Banken profitieren von der Krise und wachsen damit gegen den Trend“. Hallo? Schon mal auf die jüngste Bilanz der Deutschen Bank geschaut? Die aus der enorm-Perspektive vermutlich nicht ethisch handelt. Leider verkürzt diese Perspektive die Darstellung auf ein implizites Schwarzweißschema.

Case Studies zum Thema Ethik

Ein bisschen enttäuscht klappe ich enorm zu – da hatte ich mir mehr Differenzierung versprochen. Die finde ich im Haravard Business manager, Edition Fallstudien zum Thema Ethik. Die Fallstudien behandeln sehr anschaulich konkrete Probleme, denen sich ein Unternehmer ausgesetzt sieht, der „ethisch“ handeln will. Jeweils vier Lösungsszenarien von verschiedenen Experten zeigen, wie sich die Protagonisten verhalten könnten. Gerade diese Pluralität der Lösungen ist es, die der komplexen Frage nach dem „richtigen“ Handeln gerecht wird. Empfehlung: kaufen + lesen!

Und ein weiteres Magazin hilft uns, die Welt zu retten. Aus dieser Ecke hätten wir das nicht erwartet, denn es handelt sich um ramp, also im Grunde doch um ein Automagazin. Nein, natürlich ist das nicht  einfach „ein“ Automagazin, sondern wenn überhaupt „das“ Automagazin. Vielleicht auch die Rettung der Gattung Automagazin. Aber damit gibt sich ramp nicht ab, es geht schließlich um die Weltrettung. Die betreibt es, Achtung, Buzzword dieser Ausgabe, ostentativ. „Hurra, wir retten die Welt!“ heißt es auf dem Cover. Wie das geht? Chefredakteur und Herausgeber Michael Köckritz macht sich mit dem 911er Turbo auf nach Kopenhagen zur Weltklimakonferenz. Hört sich doof an, ist es aber nicht. Sondern gut geschrieben und sogar erhellend. Irgendwie ostentativ. Wer rausfindet, wie oft ostentativ in der Frühjahrsausgabe der ramp steht, kann einen Publicis Publishing-Kugelschreiber gewinnen…

Nachhaltig: Erste Liebe

Zur Weltrettung gehört Nachhaltigkeit, Sustainibility, wie wir Weltretter sagen. Und die beginnt bei jedem ganz persönlich. Und mit persönlich meine ich persönlich, nämlich bei der Liebe. „Erste Liebe, schönste Liebe?“ fragt das Magazin „Das Magazin“ auf dem Titel seiner Maiausgabe. Klingt doch interessant. Und wenn es so wäre und dazu führte, dass wir unserer ersten Liebe treu blieben: Wieviel CO2 ließe sich da sparen? Das aber hat „Das Magazin“ nicht untersucht, sondern veröffentlicht stattdessen „neueste Protokolle aus dem Beziehungslabor.“ Ich lese aber lieber Drostes Beitrag über Spargel.

Mit Nachhaltigkeit und Weltverbesserung hat das Aprilheft der brand eins wenig zu tun. Es geht stattdessen um Lebensplanung. Ein Thema, das ja oft in geradezu diametralen Widerspruch zur Weltverbesserung steht. Immerhin, der Titel ist supersuperdoppeldreifachdeutig. „Wie weiter?“ heißt es da. Also wie durchgestrichen und weiter und dann noch ein Fragezeichen. Toll. Wenn man drüber nachdenkt, wird es immer toller. Irgendwann ist man dann bei Oliver Kahn und seinem „Immer weiter! Immer  weiter!“ Auch ostentativ, aber nicht weltverbessernd.

Ebenfalls wenig nachhaltig dürfte der Auftritt von Trip in Deutschland ausfallen, wenn sich am Auftritt nichts ändert. „Das Kultmagazin aus Brasilien“ bringt in seiner Erstausgabe einfach zu wenig Neues, Ungesehenes. Ein bisschen wie FHM und Maxim vor fünf Jahren. Dieser Eindruck wird vor allem durch das, sorry, altbackene Layout verstärkt – die Themen sind zwar nicht revolutionär, aber doch interessant. So der Hausbesuch bei Sasha Shulgin, dem Ecstasy-Erfinder, oder der Strecke über die Roten Khmer. Liebe Männer, kauft Trip, damit die Jungs um Thomas Garms noch eine zweite Chance haben. Lieber Herr Garms, bitte weiter und besser machen. Vor allem das Layout.

Wie schaffe ich nun den Übergang von Trip zu Cicero, dem Magazin für politische Kultur? Die Maiausgabe, die heute ganz frisch auf meinem Schreibtisch gelandet ist, verspricht zum Glück keine Weltrettung, wohl aber Joschka Fischers Sorge um Kohls Erbe. Außerdem geht es um „Kriege im Frieden,“ den Mythos Grace Kelly und Görings Ausreden. Bei letzterem Artikel bin ich schon beim ersten Durchblättern hängen geblieben, denn er stammt aus der Feder von Eric M. Warburg, der noch im Mai ’45 Hermann Göring verhört hat. Mit anderen Worten: Hier schreibt ein Zeitzeuge. Toll, dass Cicero solche Texte nach Deutschland bringt. Ich freue mich aufs Wochenende und eine spannende Cicero-Lektüre …

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